Luzian Massarrat, CFT

Bildungsgipfel: Große Debatte im Hamburger Rathaus

Mehr als 100 Interessierte waren am 22. Juni ins Hamburger Rathaus gekommen, um sich auf dem Bildungsgipfel zur Lage der Hamburger Schulen und zu bildungspolitischen Herausforderungen auszutauschen. Allein das war ein deutliches Zeichen, dass eine solche Plattform in der Stadt fehlt! Nach sechs Stunden intensiver inhaltlicher Arbeit hinterließ der Bildungsgipfel bei den Beteiligten einen rundheraus positiven Eindruck.

Sabine Boeddinghaus begrüßte die Teilnehmer*innen im Namen des vorbereitenden Bündnisses aus GEW, Grundschulverband, Vereinigung der Schulleiter*innen der Hamburger Stadtteilschulen in der GGG, die Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen, den Fachschaftsrat Lehramt für allgemeinbildende Schulen, das Hamburger Bündnis für schulische Inklusion und die drei Kammern.

Einleitend gaben Vertreter*innen aller Schulformen in Hamburg, Grundschulen, Stadtteilschulen, Gymnasien, Sonderschulen, berufliche Schulen sowie die Fachschaft einen kurzen Eindruck von ihrer Arbeit und Lage angesichts vielfältiger besonders sozialer Herausforderungen.

Schulbehörde tut zu wenig

Allseits herrschte ein sehr kritischer Geist vor, der die Defizite der behördlichen Bildungspolitik deutlich benannte: Mit den bestehenden Instrumenten der Schulbehörde werde keine der drängenden Aufgaben in der Inklusion, in der Integration, in der Förderung der individuellen Lernwege und der Entwicklung von wirklichkeitsangemessenen Kompetenzen sinnvoll angegangen. Mehr noch: Die neuen Bildungspläne würden die Lage noch weiter verschärfen, die Lehrer*innenarbeitszeitverordnung bilde die Aufgaben der Lehrkräfte überhaupt nicht mehr ab – und die Leidtragenden wären letztlich die Schüler*innen.

Sieben Workshops, auf die sich die Teilnehmer*innen für zwei Durchläufe aufteilten, schlossen sich an: Inklusion, selbstverantwortete Schule, Lernen ohne Druck, Gelingensbedingungen guten Lernens, Lehrkräfteausbildung, Regionale Vernetzung, gerechte Digitalisierung.

In der Gesamtschau lässt sich eine Tendenz aus allen Workshops ausmachen: Bildungspolitische Gestaltung soll sich an der Realität der Schulen und der Schüler*innen orientieren – an ihren Interessen, Lagen, Fähigkeiten – und den Verantwortlichen Ressourcen, Zeit und Denkräume an die Hand geben, um im Interesse der jungen Menschen Bildung und entsprechende individualisierte Förderung zu ermöglichen. Dafür bedarf es mehr Ressourcen, mehr Orientierung an der Lern- und Persönlichkeitsentwicklung der jungen Menschen, mehr Zeit zum Lernen wie zum Unterrichten und für alle sozialen Belange mehr multiprofessionelle Teams, um die komplexe (Lebens-)Wirklichkeit an den Schulen angemessen zu begegnen.

Vom Bildungsgipfel zum Bildungsrat?

Diesen detaillierten thematischen Arbeitsphasen schloss sich die gemeinsame Diskussion über ein dauerhaftes Beteiligungsformat, den Bildungsrat, an. Dass dieser Punkt zentral sein würde, hatte sich schon in den Monaten der gemeinsamen Vorbereitung herausgestellt, und auch in der Diskussion am Nachmittag brachten sich viele Teilnehmer*innen sehr engagiert und entschlossen ein.

Die Forderung nach einem Bildungsrat wurde von vielen Beteiligten persönlich und institutionell unterstützt. Ursprünglich hatte das Bündnis für eine zukunftsfähige Schule diese Forderung aufgebracht, die durch Die Linke in der politischen Debatte wiederholt erneuert wurde. Einig war man sich in der Diskussion, dass der Bildungsrat einen sinnvollen Beitrag zur Schulentwicklung leisten kann, besonders, wenn er nicht nur die schon bildungspolitisch orientierten Institutionen umfasse, sondern darüber hinaus auch all jene Einrichtungen, die vor Ort mit inner- und außerschulischer Bildung betraut seien.

Dabei sollte ein Bildungsrat ein repräsentatives Gremium von Dauer und mit Unabhängigkeit von der Schulbehörde sein, jedoch mit Wirkung auf die politischen und behördlichen Entscheidungen. Zwei Linien zeichneten sich ab, die sich so zuspitzen ließen: zum einen ein Bildungsrat als Fachgremium, das sich auf eine gemeinsame Haltungund Zielrichtung verständigt, oder aber als ein voraussetzungsloses, offenes Gremium nach dem Vorbild von Bürger*innenräte.

Bei allen Unterschieden wurde deutlich, wie sehr alle Beteiligten nach einem Format suchten, um substantiell an Schul- und Bildungsentwicklung verbindlich beteiligt zu werden. Dass dies bisher nicht existiert, zeigt ein deutliches politisches und behördliches Defizit auf. Und um diesem zu begegnen, bedarf es, so der einheitliche Tenor, deutlicher Schritte zu einer Demokratisierung.

An Form und Inhalt des Bildungsrats gilt es im Anschluss an den wirklich erfolgreichen Bildungsgipfel anzuknüpfen, die Vorschläge weiter zu diskutieren und zu konkretisieren. Klar war auch, so Sabine Boeddinghaus nach langjähriger politischer Erfahrung, dass die Wege lang seien, da die Schulbehörde keine Beteiligung wolle.